Campusmanagement

Ein Schwerpunkt meiner Arbeit im Projekt BIS an der Universität Bielefeld war und ist der Aufbau und die Weiterentwicklung des Campus Management Systems. Das Bielefelder Informationssystem (BIS) ist eine Eigenentwicklung, welche der Hochschule seit dem Jahr 2000 die wesentlichen Elemente eines Campus Management Systems zur Verfügung gestellt.

Was ist Campusmanagement?

In der Wikipedia findet man heute den Begriff des Campus Management Systems (CaMS) weiterhin in der Seite zu Hochschulinformationssystemen. Hochschulinformationssystem ist dabei der ältere Begriff und er beschreibt auch treffender die Herkunft und ursprüngliche Zielsetzung des Bielefelder Informationssystems, welches den Informationsbegriff schon im Namen trägt.

Aber auch wenn beide Begriffe in der Wikipedia synonym geführt werden, so haben sie doch eine unterschiedliche Konnotation: Ein Informationssystem stellt zunächst einen Dienst dar, der allen Angehörigen einer Hochschule – und auch externen NutzerInnen – in gleicher Weise den Zugang zu den für sie notwendigen Informationen ermöglicht. Das Managementsystem hingegen drückt eine hierarchische Sichtweise auf die Hochschule aus, da es eine Ebene braucht, die das Management durchführt und dabei vom System unterstützt wird, und weitere Ebenen, die gemanagt werden.

Der Begriff des Campus Management Systems ist dabei nicht in den Hochschulen entstanden, sondern wurde von Anbietern entsprechender Systeme eingeführt. In der Geschichte des BIS habe ich eine von mir im Jahr 2007 geprägte Definition wiedergegeben:

„Der Begriff des Campusmanagementsystems ist in 2007 noch nicht sehr alt und auch letztlich nicht klar definiert. Er wird damals oft mit diesen Punkten charakterisiert:

  • Abgrenzung zum Angebot der HIS: Der Begriff wird von Softwareanbietern wie den Datenlotsen eingeführt bzw. verwendet, die damit versuchen ihr Produktportfolio insbesondere zum Angebot der HIS abzugrenzen. Der Begriff kommt also nicht aus den Hochschulen, auch wir [das BIS Team] verwenden ihn bis zu dieser Zeit nicht für unsere BIS Dienste. …
  • Integration: Die Anbieter, die mit der HIS konkurrieren, heben insbesondere die Integriertheit ihrer Produkte hervor. Die HIS hat zu dieser Zeit einzelne Module wie SOS, LSF und POS, die nur notdürftig miteinander verknüpft sind.
  • Student Life Cycle: Mit dem Integrationsgedanken einher geht die Definition eines ‘studentischen Lebenszyklus’. … Die Idee ist es hier die Prozesse, die Studierende begleiten bzw. bedienen ganzheitlich zu denken, also von der Gewinnung von Studieninteressenten über die Einschreibung / Auswahl neuer Studierender, der Durchführung des eigentlichen Studiums bis hin zur Entlassung in den Arbeitsmarkt und die Alumnibetreuung. Die Anbieter überbieten sich in dieser Zeit damit möglichst viele ‘Stationen’ dieses Lebenszyklus bedienen zu wollen.

Von den Anbietern der noch jungen Campusmanagementprodukte werden den Hochschulleitungen umfangreiche Prozessverbesserungen und Steuerungsmöglichkeiten in Aussicht gestellt, die an vielen Hochschulen passend zur jetzt erst stattfindenden Umstellung auf die Bachelor-Master-Studiengänge kommen.“

Ein aktuellere Definition findet sich in der Publikation Spitta T, Grechenig T, Brune H, Carolla M, Strobl S. (2014): „Campus-Management Systeme als Administrative Systeme.“, siehe meine Publikationen. Die Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik gibt hier ebenfalls eine interessante Definition, die den Brückenschlag zu vergleichbaren Konzepten in der Industrie macht.

Was kennzeichnet Campus Management Systeme heute?

Inzwischen sind schon mehr als 10 Jahre vergangen seit dem Auftreten der ersten, sich selbst so bezeichnenden Campus Management Systeme. Es ist heute nur noch schwer vorstellbar das eine Hochschule – egal welcher Größe – ohne eine umfangreiche, integrierte IT Unterstützung für ihre Prozesse in Studium und Lehre ihre Aufgaben erfüllen und dabei die Erwartungen ihrer Kunden in zeitgemäßer und gleichzeitig effizienter Form bedienen kann. Aus meinen Erfahrungen beim Aufbau des Campusmanagements im BIS, aber auch mit Anbietern entsprechender Standardsoftware und den konkreten Produkten, sind dies für mich heute einige Merkmale erfolgreicher und zeitgemäßer Campus Management Systeme:

Integration

Ein klassisches Argument der ersten CaMS Anbieter war die Integration möglichst vieler Teile des studentischen Lebenszyklus‘ in ihre Produkte. Und tatsächlich sind ohne entsprechende Integrationen große Reibungsverluste in der Prozessunterstützung zu erwarten.

Ein integriertes System muss dabei nicht bedeuten, dass das Campus Management System ein technologischer Monolith ist, welcher alle Bestandteile in einem einzigen ‚Stück Software‘ vereint. Auch ein Campus Management System, welches Produkte unterschiedlicher Anbieter mit gelungenen Schnittstellen verknüpft, kann in dieser Hinsicht als integriert gelten.

Offenheit

Dies bringt uns direkt zum nächsten Punkt: Für eine Hochschule ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass ein Campus Management Produkt einen Mindestgrad an Offenheit mitbringt. Diese Offenheit muss es erlauben die im CaMS steckenden Daten auf definierten, automatisierbaren Wegen herauszuholen und ggf. auch hinein zu bringen. Hier sind Dinge wie Schnittstellen und Dokumentationen der Datenmodelle wichtige Punkte, aber auch die Frage ob ein Anbieter Zugriffe auf die in seinem System gespeicherten Daten ggf. ganz grundsätzlich verhindern möchte.

Die Gründe eine solche Offenheit einzufordern sind vielfältig: So wird es an den meisten Hochschulen nicht möglich sein alle anderen in der Lehrorganisation eingesetzten Systeme durch ein einziges Produkt zu verdrängen. Dazu ist z. B. die Vielfalt der eLearning / LMS Dienste zu groß und die potentiellen Nutzungen der im CaMS enthaltenen Daten zu zahlreich. Ein CaMS Produkt, welches heute nicht von vorne herein mit seiner Offenheit und der Option es mit vorhandenen Systemen zu integrieren wirbt, sollte mit Vorsicht behandelt werden.

Durchgängiges Datenmodell

Campus Management Systeme enthalten einige Kerndatenstrukturen, um die sich wiederum alle anderen Datenstrukturen gruppieren. Dies sind:

  1. Personen: Die Verwaltung der Angaben zu den Hochschulangehörigen – insbesondere der Studierenden und der Lehrenden – ist eine Grundaufgabe des Campusmanagements. Dies gilt normalerweise immer in Bezug auf die Studierenden, für die das CaMS das Quellsystem ist. Die Daten der MitarbeiterInnen können ebenfalls im CaMS entstehen, wie es im BIS der Fall ist durch das angeschlossene Personen- und Einrichtungsverzeichnis. Oder sie werden durch ein externes System wie die Personalverwaltung oder das Identity Management bereitgestellt und müssen von dort regelmäßig importiert werden. Bei Personen ist die Verwaltung der Identitäten eine komplizierte Daueraufgabe, gerade angesichts der hohen Änderungsrate, die Hochschulen sowohl im Bereich der Studierenden wie auch der Lehrenden (Lehrbeauftragte) kennzeichnet. Im Campusmanagement sollten Personen ein eindeutiges Merkmal besitzen, welches sie auch über Statuswechsel (Studierende werden zu MitarbeiterInnen) oder unterbrochene Beschäftigungsverhältnisse begleitet. Ein solches Merkmal ist bei Studierenden mit der Matrikelnummer meist gegeben, für MitarbeiterInnen muss hier ggf. ein externes System wie das Identity Management die entsprechenden Verknüpfungen herstellen.
  2. Einrichtungen / Funktionen:  Die Struktur der Einrichtungen einer Hochschule ist wichtig für die Gliederung von Personen, Studiengängen, Lehrveranstaltungen, Prüfungsleistungen und so weiter. Hier gibt es vermutlich die größte mögliche Spannbreite bei der Differenzierungstiefe: Im einfachsten Fall wird nur eine grobe Gliederung vorgenommen, z. B. auf der Ebene der großen Lehreinheiten (Fakultäten). Im komplizierteren Fall wird sehr tief bis in die Binnenstrukturen der Lehreinheiten hinein differenziert. Dieser zweite Weg wurde im BIS gewählt, er erlaubt es zusätzlich für die Lehrorganisation relevante Funktionsträger abzubilden wie Studienberatungen.
  3. Studiengangsstrukturen: Die Abbildung der Studiengangsstrukturen – von den angebotenen Studienfächern ausgehend, deren Kombinationsmöglichkeiten zeigend, ihrer Versionsentwicklung folgend und sie bis in die Details ihrer Studienbestandteile wie den Modulen aufgliedernd – ist der komplexeste Teil des Datenmodells eines Campus Management Systems. Die Komplexität wird zum einen durch die sich hier am stärksten zeigenden inhaltlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Fächern einer Hochschule verursacht. Gerade wenn ein Studienangebot noch nicht mit Hinblick auf eine technische Abbildung und ohne harmonisierende Steuerung entwickelt wurde – ein Zustand, den man bei einer Ersteinführung eines Campusmanagements generell vorfinden wird – kann sich hier eine beliebige Vielfalt an Anforderungen auftun. Die Komplexität einer Studiengangsmodellierung wird aber auch erhöht durch ihre Nutzung in sehr unterschiedlichen Systemteilen bzw. Stationen des Studierendenlebenszyklus, die teilweise widerstreitende, nicht einfach zu harmonisierende Anforderungen an das technische System stellen.

Interessanterweise gibt es Anbieter von ‚integrierten‘ Campus Management Systemen, die intern keine durchgängigen Datenmodelle für diese zentralen Datenstrukturen verwenden. Die dadurch verursachten inneren Systembrüche müssen dann auf andere Weise und mit entsprechenden Aufwänden gelöst werden.

Natürlich enthält ein CaMS noch etliche weitere Datenstrukturen, die man ja nach Geschmack ebenfalls zu den zentralen Strukturen rechnen kann. Dazu zählen sicher die Lehrveranstaltungen, ihre Termine, die Prüfungsleistungen und erzielte Studienabschlüsse. Ich habe diese hier nicht zu den Kerndatenstrukturen gezählt, da sie selbst keinen vergleichbaren Grad an Komplexität und Verknüpfungsdichte mit anderen Strukturen aufweisen.

Webbasierte Technologien

Zum Abschluss noch ein Punkt, der heute selbstverständlich erscheint, aber offenbar trotzdem noch nicht in allen Produkten durchgängig gegeben ist: Die NutzerInnen eines CaMS sind bis auf sehr wenige Ausnahmen alle Angehörigen der Hochschule und dazu noch eine potentiell hohe Zahl von Externen. So eine große, inhomogene Nutzergruppe lässt sich heute nur mit webbasierten Anwendungen bedienen. Das Vorhandensein von Apps für die wesentlichen Smartphone Plattformen ist dabei eine nette Beigabe, aber wesentlicher ist die Nutzbarkeit der Weboberflächen auf mobilen Geräten.

Bei den eingesetzten Technologien muss auf Einheitlichkeit in allen Bestandteilen des Systems geachtet werden. Auch hier gibt es Produkte am Markt, die erstaunliche interne Brüche aufweisen, und die damit von Beginn an deutlich schwerer zu handhaben sind. Da ein CaMS für eine Hochschule die zentrale Infrastruktur ihres Lehr- und Studienbetriebs ist muss es in konsistenter Weise betreibbar sein, damit es auch den mehrfach im Jahr auftretenden Spitzenlasten mit einem stabilen Betrieb begegnen kann.